Mein Weg zur Akupunktur führte über die Behandlung von Patienten mit Rückenschmerzen. Mir fiel auf, dass viele Patienten über schmerzhafte „Triggerpunkte“ am Rücken klagten. Also Punkte, die nicht nur druckschmerzhaft sind, sondern auch häufig schmerzhaft ausstrahlen in andere Bereiche des Körpers. Diese Punkte kann man unterschiedlich behandeln: Mit manuellem Druck oder Bindegewebstechniken (wie z.B. in der manuellen Therapie/Chirotherapie), Akupressur, Kleben von Tapes oder Neuraltherapie (Injektion von Lokalanästhetika wie z.B. Procain). Jede dieser Anwendungen bringt eine Linderung der Beschwerden mit sich.
Die Lokalisation dieser Triggerpunkte deckt sich auch mit den Akupunkturpunkten. Auch hier besteht ein Behandlungskonzept darin, nach „aktiven“ schmerzhaften Punkten zu suchen, und diese mit unterschiedlichen Stichtechniken zu stimulieren. Dieses Behandlungskonzept wird schon in historischen Werken zur chinesischen Philosophie und Akupunktur („Huangdi Neijing„, ab 200v. Chr.) beschrieben, die bis heute einen wichtigen Leitfaden in der chinesischen Medizin darstellen und zum Weltdokumentenerbe der Unesco zählen.
Mittlerweile haben sich zahlreiche Akupunkturstile auch im Westen entwickelt, die Wirkung der Akupunktur ist gut untersucht und weiterhin Teil eines weltweit wachsenden Forschungsbereichs. Seit 2007 wird die Akupunktur von chronischen Schmerzen (Schmerzdauer über 6 Monate) des Knies und der Lendenwirbelsäule durch 10 Akupunktursitzungen in einem Kalenderjahr von den gesetzlichen Kassen bezahlt. Ausschlaggebend waren die sogenannten „GERAC„-Studien (german acupuncture trial, eine der größten mit Akupunktur durchgeführten Studien nach good clinical practice, Überlegenheitsnachweis einer Akupunktur gegenüber der Standardtherapie), die international große Beachtung fanden. In der Prophylaxe der Migräne und Therapie von Spannungskopfschmerz konnte eine Wirkung, jedoch keine Überlegenheit gegenüber einer Standarttherapie festgestellt werden. Zu zahlreichen anderen Indikationen gibt es wissenschaftliche Untersuchungen.
Ich verwende die Akupunktur in Kombination mit Diagnostik (Zungen- und Pulsdiagnostik), Ernährungsempfehlungen (5-Elemente-Ernährung), Bewegungstherapie und Empfehlungen zur Anwendung westlicher Kräuter. Die Akupunktur stellt somit ein Pfeiler einer alternativen Therapie dar. Gerade die Integration unserer heimischen Kräuter mit ihren bekannten Heilwirkungen in das System der TCM (traditionellen chinesischen Medizin) stellt eine große Bereicherung für mich dar. Regelmäßig sind wir Hausärzte mit Erkrankungsbildern konfrontiert, die wir nicht „heilen“ können und für die keine Medizin bekannt ist. Hier kann die TCM helfen, den Körper wieder ins Gleichgewicht, in eine „innere Harmonie“ zu bringen.
Die aktiven Punkte am Körper können oft erspürt und ertastet werden, als Reaktion auf die Punktion spürt der Patient meistens eine Druckempfindung in der Tiefe („DeQi-Gefühl“).
Viele Erkrankungen unserer Zeit, wie z.B. Erschöpfungssyndrome (Erschöpfungsdepression oder umgangssprachlich „Burn out“), Gewebeschmerzen, Kopfschmerzen, Schwächezustände sprechen auf o.g. Therapiekombinationen gut an. Mit Hilfe der Modelle der chinesischen Medizin zur Krankheitsentstehung, wie z.B. das Modell der 5 Elemente mit ihren Entsprechungen in den Meridianen und Organen, kann ein Krankheitsverständnis vermittelt werden, das den Patienten hilft, in Ihrer Lebensgestaltung auch entsprechend ihres Naturells einen Weg in die eigene „Mitte“ zu finden.
Dr. Georg Grohmann